Ilse Losa

eine Schriftstellerin und Übersetzerin, in Buer geboren


Ilse Lieblich (Losa) wurde am 20. März 1913 in Melle-Buer geboren. Als Kind jüdischer Eltern, ihr Vater war der Pferdehändler Arthur Lieblich, ihre Mutter Hedwig geborene Hirsch, lebten an der Barkhausener Straße in Melle-Buer. 

Ilse Lieblich als Kleinkind in Melle-Buer



Ilses Mutter aus Wanne-Eickel liebte die Kunst und die Musik. Als Frau aus der Stadt legte sie viel Wert auf ihr Äußeres. Im Jahr 1914 wechselten die Eltern der kleinen Ise ihr Zuhause zur Buerschen Straße nach Melle. Ilse blieb bei ihren Großeltern Fanni und Joseph Lieblich in Buer. Das dann gemeinsame Wohnhaus stand im Ortsmittelpunkt am Kampingring.

Das Haus der Familie Lieblich war das zweite Haus auf der rechten Seite. Dort befinden sich heute Garagen


Der Großvater wurde zur Bezugsperson für sie. Er war ein frommer Jude, der seine Enkeltochter auch mit zu den Gottesdiensten in die nördlich des Hauses gelegene Synagoge nahm. Die Großmutter nahm wenig am öffentlichen Leben teil und führte den Haushalt. In Buer gab es schon seit den 1840er Jahren einen Synagogenraum in Privathaushalten und seit 1863 ein Synagogengebäude am Kampingring. Die Synagogengemeinde löste sich in Buer übrigens 1931 auf.

Zeitig zur Einschulung im Alter von sechs Jahren forderten ihre Eltern Ilse auf, 1919 das Haus ihrer Großeltern hinter sich zu lassen und nach Melle an die Buersche Straße zu ihnen zu ziehen. Sowohl ihr sehr geliebter Großvater sowie sie selber musste sich fügen und mit auf die Kutsche des holenden Vaters aufsteigen, eine schwere Entscheidung in ihrem jungen Leben. So kam sie in das Haus in Melle unweit des Bahnhofes, wo auch ihre beiden Brüder Ernst und Fritz wohnten und lebten. Der Vater war ein beliebter Pferdhändler und bemühte sich fortan, auch ein guter Vater für Ilse zu sein.

Die Familie Lieblich in Buer um 1905. Vorne sitzen Joseph und Fanny Lieblich, die Großeltern von Ilse. Hinten stehend: Julius, Arthur, Hedwig und Willy (Arthur war Ilses Vater).


Melle mit seinen schon städtischen Straßen, aber auch der Meller Wald mit dem Ausflugslokal Waldmeister war eine neue aber auch interessante Umgebung. Hier im Lokal trafen sich übrigens damals gerne jüdische Frauen mit ihren Kindern.

Ilses Opa Joseph starb 1921 in seinem Heimatort Buer, er hatte den Fortgang seiner Enkelin aber auch den Fortzug seiner Söhne in Wirklichkeit nicht überwinden können. Um nicht allein in Buer weiter wohnen zu müssen, zog Oma Fanny (Finchen) auch nach Melle. Sie wohnte dann zusammen mit ihrem Sohn im gleichen Haus, in dem auch ihr Schwiegersohn und Tochter wohnten. Ilses Oma Fanny starb 1936 im Alter von 81 Jahren in Melle. Ihr Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Buer.

Der jüdische Friedhof in Buer befindet sich außerhalb der geschlossenen Ortschaft. Der direkte Zufahrtsweg trägt den Namen: Ilse- Losa- Weg. Hier sind 42 erkennbare Grabsteine aufgebaut u.a. auch von Julius Lieblich und Finchen Leiblich.


Ilse wurde 1919 in die Meller Volksschule an der Grönenberger Straße eingeschult. Ihr Lehrer war der Meller Bürger und spätere Schriftseller Ludwig Bäte, der vorher Lehrer an der Riemsloher bzw. der Hoyeler Schule war.

Zusammen mit ihrer Freundin Elfriede wechselte Ilse ab der sechsten Klasse die Schule, fortan besuchten sie das Lyzeum (Mädchenschule) in Osnabrück. Da die Eltern 1928 Melle verließen, um sich im Hildesheimer Raum niederzulassen, war auch für sie Melle ein Ort, in dem sie gerne weiterhin gelebt hätte. Sie folgte natürlich ihren Eltern. Als ihr Vater 1930 starb, fand die Trauerfeier selbstverständlich in der Synagoge in Buer, der alten Heimat, statt. Das war auch gleichzeitig die letzte kirchliche Feier, die in der Bueraner Synagoge stattfand.


Standort der ehemaligen Synagoge in Buer am Kampingring. Das Gebäude ist grundlegend umgebaut worden, hier hat die Firma Bahr heute Teile ihres Geschäftes untergebracht.


In Hildesheim besuchte Ilse das dortige Gymnasium, konnte es aber, nachdem ihr Vater zu früh mit 45 Jahren verstorben war, nicht mehr finanzieren. Anstrengungen ihrer Mutter, genügend Geld zu verdienen, scheiterten daran, dass sie in einer eröffneten Pension keine „Arier“ aufnehmen durfte. Somit konnte auch kaum Geld eingenommen werden. Es folgten für Ilse der Besuch einer Handelsschule und u.a. die Anstellung als Au-pair-Mädchen in London, um ein wenig Geld zu verdienen.

Ilse Lieblich als junge Frau. Foto aus dem Internet ohne Angabe des Fotografen.


Eine weitere Station in ihrem Leben war eine Anstellung in einem Hannoveraner Krankenhaus. Da die Nationalsozialisten schon zu der Zeit die jüdischen Bürger als „nichthinnehmbare Menschen“ ansahen, spürte auch Ilse die fortschreitende Distanz zu ihren Kollegen und Mitmenschen. Sie wurde aufgefordert, ihre Arbeitsstelle im Krankenhaus in Hannover zu verlassen. Sie versuchte in Berlin Fuß zu fassen. Doch auch hier machte sie 1934 die Erfahrung, dass man als Jüdin nicht bleiben konnte. Ihr großes Pech war zudem, dass sie in einem Brief, der abgefangen wurde, sich abfällig gegenüber Hitler geäußert hatte. Jetzt gab man ihr zu verstehen, schnell das Land zu verlassen.

Für sie war dann klar, dass sie innerhalb weniger Tage Deutschland verlassen musste. Vermeintliches Ziel waren ihr Onkel und Bruder in Portugal. Sie erreichte 1934 als 20jährige junge Dame das für sie fremde Land Portugal mit dem Schiff, natürlich ohne dortige Sprachkenntnisse. Ihr Bruder konnte für sie eine Notunterkunft vermitteln. Hilfsjobs und Deutschunterricht für Portugiesen brachten sie durch den Alltag.

Ihr Bruder, der schon teilweise in dem fremden Land angekommen war, begleitete die junge, teilweise revolutionäre Schwester. So lernte sie dort auch Armenio Losa, einen Architekten, kennen. Schon 1935 entschieden sie sich, zu heiraten. Durch die Ehe war sie dann eine portugiesische Bürgerin geworden.

Der portugiesische Staat regelte erst 1938, wie mit den über 50.000 Flüchtlingen aus Deutschland verfahren werden sollte. Für Ilse, jetzt Ilse Losa, bedeutete dass, dass sie bleiben konnte. Ihr Bruder hatte nicht das Glück, erhielt keine Einbürgerungsgenehmigung und wurde immer wieder inhaftiert. Das Schicksal sollte ihn aber vor dem Schlimmsten bewahren, er schaffte später die Ausreise in die Vereinigten Staaten.


In Portugal wurde eine Briefmarke mit ihrem Konterfei herausgegeben


Übrigens, Ilses Mutter Hedwig musste als Jüdin auch die Stadt Melle verlassen und konnte sich nach England absetzen.

Ilses Leben in Portugal, in einem fremden Land mit einer fremden Sprache forderte sie, sich dem Land anzupassen. Ihre Neigung, sich klar und deutlich auch bald in der fremden Sprache ausdrücken zu können, verhalf ihr, hier große Erfolge als Schriftstellerin zu haben. Ihr erster Roman: „O mindo em que vivi“ (Die Welt, in der ich lebte), ihre Lebensgeschichte, wurde zu einem großen Erfolg.



Ilse Losa war Verlagslektorin und übersetzte Werke u. a. von Bertolt Brecht und Thomas Mann sowie das Tagebuch der Anne Frank ins Portugiesische. Sie schrieb für Zeitungen und übersetzte portugiesische Bücher ins Deutsche. Umgekehrt übertrug sie wichtige portugiesische Romanciers wie Manuel da Fonseca und sein vom Salazar Regime verbotenes Buch „Saat des Windes“ ins Deutsche.


Ilse im Alter, das Bild ist der Internetseite Wikipedia entnommen.


Ilse Losa schrieb 21 Kinderbücher in ihrer neuen Heimat. Diese Kinderbücher wurden und werden in Portugal teils sogar in der Schule gelesen, wurden aber nie ins Deutsche übersetzt und sind hierzulande weitestgehend unbekannt. In Portugal wurden ihre Werke geliebt und anlässlich ihres vermeintlich 100. Geburtstags im März 2013 dort als „Lichtblick portugiesischer Kultur geehrt“. Sie war wirklich eine Brückenbauerin zwischen Deutschland und Portugal.

Die Autorin Ilse (Lieblich) Losa gehört zu den herausragenden Exilschriftstellerinnen, die in Deutschland vom Vergessen bedroht sind. Ilse Losa starb 2006 in Portugal im Alter von 92 Jahren.


Seit 2013 erinnert der Weg im Sunderbrook in Buer, an dem auch der jüdische Friedhof liegt, als „Ilse-Losa-Weg“ an die Schriftstellerin.


(Angaben im vorliegenden Bericht sind Werken von Ilse Losa entnommen sowie dem Artikel: „Ilse Losa, in Buer und Melle aufgewachsen, in Portugal eine bekannte Schriftstellerin“ von Edeltraud Preuß im „Der Grönegau“ Band 20. Auch Wikipedia Einträge und Eigenrecherche haben den Artikel bereichert.)