Johann Mathias Seling


Johann Mathias Seling wurde am 2. Dezember 1792 in Melle-Wennigsen auf dem Wieven geboren. Die Eltern seiner Frau (Anna Sophia geb. Seling) waren das Wirtsehepaar Seling auf dem Brockhagen, die ehemalige Gaststätte Seling am Ortseingang von Gesmold.

Bei der Familie Seling im Wieven wurden Spinnräder hergestellt. Alle Familienmitglieder mussten mithelfen.  Johann Mathias wurde nach dem Besuch der Volksschule in Gesmold für zwei Jahre Pferdejunge auf einem Hof.

 

Das Geburtshaus des Johann Mathias Seling in Melle-Wennigsen


Anschließend erlernte er zwei Jahre lang den Beruf des Spinnradmachers bei seinem Vater. Es schlossen sich zwei Jahre Ausbildung zum Kaufmann im holländischen Alkmaar an, wo sein Onkel tätig war. Für weitere zwei Jahre folgte die militärische Ausbildung, aus der er 1814 entlassen wurde.


Sein Onkel Caspar Heinrich Witte wohnte in Alkmaar, Niederlande. Er ermöglichte ihm, am Carolinum in Osnabrück sein Abitur nachzumachen und in Münster Theologie zu studieren. Im Jahre 1820 wurde er zum Priester geweiht.

Nach dem Theologie- und Philologie Studium erhielt er am Carolinum in Osnabrück eine Stelle als Lehrer, die er aber nach sechs Jahren wegen eines Augenleidens wieder aufgeben musste.

Bis zu seinem Tode im Jahre 1860 war er 34 Jahre als Kaplan in St. Johann in Osnabrück tätig.


Im Osnabrücker Raum und im Grönegau herrschte, nachdem man um 1800 automatische Spinnmaschinen erfunden hatte, massenhafte Arbeitslosigkeit. Sehr viele Haushalte hatten von dem Gewerbe gelebt. Ein Ausweg war die Arbeitssuche in Holland (Hollandgänger) oder die Auswanderung nach Amerika. 





Johann Mathias Seling, geb. 1792 in Melle-Wennigsen, gest. 1860 in Osnabrück


Johann Mathias Seling gründete als Kaplan von St. Johann Osnabrück 1836 eine Spinnschule, um vielen Leuten durch das Erlernen der Spinntätigkeit zu helfen, in diesem Beruf Geld zu verdienen. Doch auch eine gute Ausbildung konnte die Zeit nicht aufhalten, nach 10 Jahren schloss die Schule.


In der Bevölkerung herrschte noch ein anders Problem vor, die Trunksucht. Auch Johann Mathias Seling hatte als Kind schon damit Bekanntschaft gemacht, er musste für napoleonische Soldaten, die durch Wennigsen zogen, Branntwein aus Gesmold holen, was ihm nicht behagte.

Branntwein war für die Bevölkerung erschwinglich geworden, nachdem das Getränk aus Kartoffeln statt aus Getreide gewonnen werden konnte. Der Preis wurde deutlich reduziert. Bis dahin sah man Alkohol als Nahrungs- und Stärkungsmittel an. Selbst Kinder erhielten zu den Mahlzeiten verdünntes Bier oder Wein.


Johann Mathias Seling war von der Mäßigkeits-Bewegung fasziniert und schloss sich dem 1840 vom Bürgermeister der Stadt Osnabrück Herrn Stüve neu gegründeten Mäßigkeitsvereins an.

Im Jahre 1844 nahm Seling an der „Allgemeinen deutschen Mäßigkeitsversammlung“ in Hamburg teil. Er reiste dann weiter nach London, um einen großen, irischen Mäßigkeitsapostel und seine Methoden kennen zu lernen.


Schon bald zog Seling durch die Lande und predigte gegen den Alkoholmissbrauch. Allein in Papenburg schlossen sich im Jahre 1844 ca. 3.000- 5.000 Leute an. Ein Erfolg zeigte sich, als im Jahr 1847 die Brantweinsteuereinnahme in der Landdrostei Osnabrück um die Hälfte schrumpfe.

Aus dem Jahr 1845 ist bekannt, dass er eineinhalb Quadratmeter große Ölfarbendrucke von Trinkermägen aus Amerika kommen ließ und diese den Leuten zur Abschreckung zeigte.

In den vielen Dörfern und Städten des Emslandes, des Oldenburger Landes bis nach Hamburg und Aachen predigte er in Kirchen, versammelte alle für sich gewonnenen Bürger an der Kommunionbank und nahm ihnen folgenden Schwur ab:


„Ich verspreche mit dem göttlichen Beistande mich ganz zu enthalten von allen hitzigen Getränken und ich nehme mir vor, hierzu auch andere nach Kräften zu bewegen und mäßig zu sein in den gegorenen Getränken“. Anschließend zog man gemeinsam zu einem Steinbruch und schleuderte die mitgebrachten „Buddel“ in den Abgrund.




Johann Mathias Seling dichtete jeweils in den Orten, wo er die Bevölkerung vor dem Alkohol zu bewahren suchte, Lieder, die zum jeweiligen Ort passte. Diese werden heute noch oft gesungen



Um die Bevölkerung für sich zu gewinnen, dichtete Seling jeweils den Bewohnern vor Ort ein Heimatlied, das heute noch in vielen Dörfern des Oldenburger Münsterlandes als offizielles Heimatlied gesungen wird.

Erwähnenswert ist, dass bei der Grundsteinlegung der Bartholomäus- Kirche in Wellingholzhausen 1856 die Handwerksleute sich verpflichten mussten, keinen Alkohol zu trinken.


Im Jahr 1843 gab es in Deutschland 370 Mäßigkeitsvereine mit 40.000 Mitgliedern. Im Jahre 1845 waren es 770 Vereine mit 400.000 Mitgliedern. Tagebuchaufzeichnungen von Johann Mathias Seling belegen, dass er bis zum Jahre 1852 ca. 82.000 Leuten persönlich durch Handschlag in den Verein aufgenommen hatte. Er starb 1860 in Osnabrück.

Grabstein des Johann Mathias Seling auf dem Johannisfriedhof in Osnabrück.


Auf dem Johannisfriedhof in Osnabrück steht nahe dem Eingang von der Iburger Straße direkt an der Außenmauer der Grabstein des ehemals Wennigser Bürgers. Seit über 140 Jahren steht seine Büste auf einem hohen Sockel. Zwei Orden sollen auf seiner Brust zu sehen sein: Das Ehrenzeichen 1. Klasse vom Großherzog von Oldenburg und das Ritterkreuz des Erlöserordens von König Otto von Griechenland.

Die Büste und der Sockel zeigen starke Merkmale der Verwitterung.


Eine Tafel am Standort seines Elternhauses vor dem Haus der Familie Hermann Brunsmann im Wieven berichtet von seinem Leben, dem Leben eines berühmten Wennigser Bürger.


Bernd Meyer