Meller Möbelfabrik
Im Jahre 1870 wurde die Firma J.H. Krumnack gegründet, welche sich auf Möbelfertigung, Dampfsägewerk und Holzhandel spezialisierte.
Das Unternehmen wählte einen Standort in Melle in der Nähe des Bahnhofs, um überregionale Aktivitäten zu ermöglichen. Im Jahr 1904 erfolgte eine erste Expansion mit dem Bau eines dreistöckigen Fabrikgebäudes und eines Büro- und Wohngebäudes im klassischen Industriestil sowie einem neuen Maschinensaal. Allerdings geriet das Unternehmen 1908 aufgrund rückläufiger Umsätze in finanzielle Schwierigkeiten, was am 6. April 1909 zur Eröffnung des Konkursverfahrens führte. Ein wichtiger Lieferant war die Holzimportfirma Pundt & Kohn in Geestemünde (heute Bremerhaven), die bis dahin auch ein bedeutender Gläubiger von Krumnack war. Aus diesem Grund und aufgrund familiärer Interessen übernahm Pundt & Kohn die Meller Firma am 27. September 1909 im Rahmen einer liquidierenden Zwangsversteigerung.
Franz Kohn, der Eigentümer der Firma Pundt & Kohn, hatte zwei Söhne. Hans Kohn führte die Holzhandlung in Geestemünde weiter, während Gerhard Kohn die Geschäftsführung der neu erworbenen Fabrikation in Melle übernahm. Diese wurde 1909 als Meller Möbelfabrik GmbH im Handelsregister eingetragen, wobei die offene Handelsgesellschaft Pundt & Kohn in Geestemünde die alleinige Inhaberin war. Gerhard Kohn blieb persönlich haftender und zeichnungsberechtigter Gesellschafter. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wurde die Möbelfabrikation ausgebaut, jedoch wurde die Produktion nach Kriegsausbruch auf kriegswichtige Produkte umgestellt. Trotzdem wurde in den Jahren 1916 bis 1918 in den erhöhten Heizbedarf investiert, was den Bau eines neuen Dampfkessels, eines 40 m hohen Klinkerschornsteins und eines Kesselhauses mit Spänebunker zur Folge hatte. In der Weimarer Republik und während des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 1930er Jahren wurde der Ausbau weiter vorangetrieben. Bereits 1921 begann man mit dem Bau von neuen Gebäuden für die Möbelproduktion, trotz Inflation. 1924 wurde die Geschäftsadresse und die Hauptzufahrt in die Teichbruchstraße (später Bismarckstraße) verlegt und ein neues Kontor und ein Pförtnerhaus errichtet. Eine kupferne Haube mit Turmuhr, geliefert von der Turmuhrfabrik Ed. Korfhage & Söhne in Melle/Buer, wurde auf dem Pförtnerhaus montiert, das auch das Glockenspiel für das Meller Rathaus lieferte.
1925 wurde das Firmengelände der Meller Möbelfabrik erweitert, um ein neues Sägewerk auf der gegenüberliegenden Seite der Teichbruchstraße zu errichten. Das Sägewerk wurde mit einem elektrisch angetriebenen Horizontalgatter, einer großen Trennkreissäge und einer Sägenschärferei ausgestattet und schnitt Rundhölzer aus den umliegenden Wäldern in Buche, Eiche, Kiefer und Fichte auf. Ein ca. 2500 m² großer Holzschuppen wurde kurz darauf errichtet, um das Schnittholz an der Luft zu trocknen. Das Sägewerk, der Holzschuppen und die Möbelfabrik waren durch ein Schmalspurschienensystem verbunden, auf dem die beladenen Güterloren geschoben oder durch Pferde gezogen wurden.Im Jahr 1927 wurde am Meller Berg das „Haus Sonneck“ gebaut, eine großzügige Villa mit Blick über die Stadt Melle. Die Villa wurde mit offenen Kaminen und Kachelöfen beheizt und hatte ein elektromagnetisches Rufsystem, mit dem das Personal in der Küche durch Nummern anzeigen konnte, in welchem Raum der Hausherr oder seine Gäste Bedienung wünschten. Die Gewächshäuser, die unterhalb der Villa in den Berghang gebaut wurden, waren durch einen unterirdischen Gang mit dem Keller des Hauses verbunden.Während des Nationalsozialismus wurde die Produktivität der Industrie gesteigert, um die Leistungsbereitschaft für „Führer, Volk und Vaterland“ zu stärken. So wurden Sozialräume für die Mitarbeiter gebaut und auf der freien Fläche an der Ecke Oldendorfer Straße und Bahnhofstraße wurden Kastanien gepflanzt, Grünanlagen angelegt und Holzbänke zum Verweilen aufgestellt. Die MMM wurde zusammen mit der konkurrierenden Möbelfabrik Gebrüder Kruse als „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“ ausgezeichnet. Im Jahr 1937 wurde der Familien- und Firmenname Kohn auf Antrag von Hans Kohn in Kohnert geändert, um den Anfeindungen aufgrund des jüdisch klingenden Familiennamens Kohn/Cohn im Rahmen der nationalsozialistischen Arisierung zu entgehen.Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion der MMM auf kriegswichtige Produkte umgestellt. Neben der Herstellung von Munitionskisten wurden auch Flugzeuge repariert und gebaut. Das leitende Personal, soweit nicht im Fronteinsatz, wurde extra für diese Aufgabe umgeschult. Personalmangel durch die Einberufungen wurden durch den Einsatz von weiblichen Arbeitskräften ausgeglichen. Später wurden dem Betrieb auch Zwangsarbeiter zugeteilt. Diese Frauen und Männer wurden in den oberen Etagen der Möbelfabrik untergebracht. Es wurden Keller unter der Versandabteilung und unter den Trockenkammern zu Luftschutzkellern umfunktioniert.
Nach dem Ende des Krieges konnte das Unternehmen schnell wieder aufblühen, da die Fabrik keine Kriegsschäden erlitten hatte und es eine hohe Nachfrage nach Möbeln gab. Das Unternehmen baute ein umfassendes Vertriebsnetz auf und konnte auf der Möbelmesse in Köln viele Aufträge erhalten, wodurch die Produktion für mindestens sechs Monate ausgelastet war. Nach dem Kriegsende wurde die Villa "Haus Sonneck" von den britischen Besatzungstruppen beschlagnahmt, was dazu führte, dass Gerhard Kohnert vorübergehend in das Kontorgebäude umziehen musste. Aus diesem Grund wurde schnell mit dem Bau von Wohnraum begonnen, um den Notstand zu beheben. Die Fabrikationsanlagen wurden in den 1950er Jahren stetig, aber nicht umfassend modernisiert. Nach dem Tod von Gerhard Kohnert im Jahr 1962 übernahm sein Bruder Hans Kohnert das Unternehmen, konnte aber den wirtschaftlichen Abstieg nicht aufhalten. Schließlich wurde die Firma 1975 aufgrund von Liquiditätsproblemen und steigenden Kosten insolvent und die Produktion wurde eingestellt.